Die Relativitätstheorie


Bezugssysteme

Bewegung ist immer «relativ zu etwas». Gibt es dann eine «absolute Ruhe»? Erst seit Einstein wissen wir, dass weder die Erde noch sonst etwas einen absolut ruhenden Bezugspunkt liefert.
Angenommen, zwei Beobachter bewegen sich gleichförmig zueinander; und jeder behauptet, er ruhe? Bei beiden werden mechanische Experimente völlig gleich verlaufen. z.B. in einem Zug, der durch die Landschaft rast (Inertialsystem 1), fällt für den Reisenden ein Apfel genauso auf den Boden wie für den Bauer, der auf seinem Feld daneben (Inertialsystem 2) seinen Apfelbaum schüttelt. Der Grund ist ganz allgemein: Alle Mechanik ist aus den newtonschen Axiomen ableitbar, und diese reden nicht von Geschwindigkeit. Nur von Beschleunigung, und die ist sehr wohl feststellbar (Trägheitskraft: Wenn der Zug bremst, beschleunigt oder in eine Kurve geht).
Auch beim Dopplereffekt in der Akustik geht es um Relativgeschwindigkeiten zwischen Körpern (Quelle, Empfänger, Luft). Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts zweifelte kaum jemand daran, dass sich auch Licht (ähnlich dem Schall in Luft) in einem materiellen Träger ausbreitet, dem Aether - «wenn Licht Schwingungen sind, muss doch etwas da sein, was schwingt». Ein so postulierter Aether würde ein absolut ruhendes System definieren, in welchem man seine eigene Bewegung darin durch Experimente feststellen können sollte.
 

Der Michelson-Versuch

Michelson wollte mit seinem berühmten Versuch 1881 nachweisen, dass sich die Erde gegenüber einem solchen ruhenden Aether bewegt. So wie bei zwei gleich guten Schwimmern, von welchen der eine einen Fluss hin und zurück überquert, der andere die gleiche Distanz flussaufwärts und wieder zurück schwimmt, der erstere «gewinnt», so wollte er mit einem raffinierten Versuchsaufbau die Zeitdifferenz zweier senkrecht zueinander stehenden Lichtstrahlen messen, welche sich mit der Erde im Aether bewegen . Aber zu keiner Zeit liess sich eine Zeitdifferenz feststellen. Der Versuch scheiterte und deutete dadurch an, dass die Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der Bewegung der Lichtquelle respektive des Beobachters ist. Das negative Ergebnis des Michelson-Versuchs gehört zu den meistdiskutierten und bestbestätigten der Physik.
 

Das Relativitätsprinzip

Nach Erklärungsversuchen von Lorentz und Fitzgerald zur Widersprüchlichkeit des Michelson-Versuches zur angenommenen Existenz eines Aethers kam Einstein 1905 in seinen zwei Postulaten, welche das bis dahin geltende Weltbild der klassischen Physik erschüttert sollte, ohne den Begriff des Aethers aus. Diese beiden Postulate, welche die physikalischen Grössen «Länge» und «Zeit» in neuer Weise deuteten, bilden die Grundpfeiler der Relativitätstheorie:
 

1. Das Relativitätsprinzip:

Die Naturgesetze nehmen in allen Inertialsystemen die gleiche Form an. Es gibt kein Mittel, absolute Geschwindigkeit zu messen.

2. Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit:

Licht breitet sich in jedem Inertialsystem in allen Richtungen (im Vakuum) mit c = 299'793 km/s aus.
 

Diese beiden Grundannahmen Einsteins erscheinen einfach und einleuchtend, ziehen aber einen ganzen Rattenschwanz von Folgen nach sich. Hier in Kürze die daraus resultierenden wichtigsten Punkte:
 
 

Die spezielle Relativitätstheorie
 

1. Relative Gleichzeitigkeit:  Wie finde ich heraus, ob ein Zug im Hauptbahnhof Zürich gleichzeitig mit einem Zug im Hauptbahnhof Bern eintrifft? Man liest die Ankunftszeiten an den jeweiligen Bahnhofsuhren ab und vergleicht die beiden Zeiten miteinander. Dazu müssen natürlich die Uhren synchronisiert sein. In relativistischen Massstäben würden sich zwar zwei Uhren in zwei Inertialsystemen synchronisieren lassen, aber nur bezüglich eines dritten Beobachters. Ueberdies werden die Uhren in den verschiedenen Inertialsystemen verschieden schnell laufen. Die Gleichzeitigkeit ist also, je nach Standort des Beobachters, verschieden.

2. Zeitdilatation: Gedankenexperiment mit zwei Menschen: Der eine ruht, der andere bewegt sich (mit hoher Geschwindigkeit). Die Uhr des Bewegten geht (in Bezug zum Ruhenden) langsamer. Er altert also (in Bezug zum Ruhenden) langsamer.

3. Lorentz-Kontraktion: Eine Rakete von 10 m rast an mir vorbei: Für mich erscheint sie (im Gegensatz zum Piloten) kürzer.

4. Massenveränderlichkeit: Je schneller sich eine Masse bewegt, desto grösser wird sie. Bei Lichtgeschwindigkeit wäre sie unendlich gross. Folge: Kein Körper kann auf (über-) Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Hierzu exemplarisch eine Formel:

Interpretation der Formel (keine Angst!): Ist die Geschwindigkeit v der Masse bezüglich der Lichtgeschwindigkeit c klein, so ist der Bruch im Wurzelzeichen ungefähr 0, somit der Wert unter der Wurzel ca. 1, somit der Nenner des ganzen Bruches 1 -> die Masse ist gleichgross. Nähert sich der Wert v der Lichtgeschwindigkeit c, so nähert sich der Bruch unter der Wurzel dem Wert 1, somit nähert sich der Wurzelwert 0, somit wird der Wert des ganzen Bruchs immer grösser -> die Masse wird grösser. Bei v = c wäre sie theoretisch unendlich gross.

5. Aequivalenz von Energie und Masse: Die Masse m eines Teilchens und deren Gesamtenergie E sind äquivalente Grössen, die durch die Gleichung E = m c2 verbunden sind. Würde man 1 Gramm Materie in pure Energie umwandeln, so könnte man mit dieser einen kleineren Gletscher zum schmelzen bringen. (Anwendung bei Kernspaltung und Kernfusion).

Rechenbeispiel: 1 g Materie ergibt eine Energie von E = 0,001kg x 300'000'000 m/s x 300'000'000 m/s = 90'000'000 MJoule.
Zum Vergleich: Das AKW Leibstadt mit einer elektrischen Nettoleistung von 965 MW produziert in einem Tag E = 86'400 sekunden x 965 MW = 83'000'000 MJoule. Diese produzierte elektrische Energie entspricht also etwa der Energie, welche 1 Gramm Materie enthält!

6. Lorentz-Transformation: Als klassische Galilei-Transformation bezeichnet man die Umrechnung der Koordinaten bezüglich verschiedener Inertialsysteme auf der Grundlage der klassischen Mechanik Galilei's und Newton's. Die relativistische Lorentz-Transformation geht von den selben Grundlagen aus mit der Ausnahme, dass die Prinzipien der Relativitätstheorie zu Grunde gelegt werden (Keine absolute Zeit & Konstanz der Lichtgeschwindigkeit).


Anmerkung:

Stephen W. Hawking erklärt in seinem Taschenbuch «Eine kurze Geschichte der Zeit» (rororo, Fr. 12.90) Grundlagen der mordernen Physik und deren Zusammenhänge zur Entstehung unseres Universums in einer einfachen, verständlichen Sprache. Er zeigt den heutigen Stand der Physik auf. Es wird noch immer nach der «one T-shirt»-Formel gesucht, einer einfachen Formel, welche auf einem T-shirt platz haben soll und die Relativitätstheorie mit der Quantenphysik verbinden soll. Meiner Meinung nach wird eine solche Formel nie gefunden werden, da die Ausgangslagen der beiden bestehenden Theorien eine solche Verknüpfung apriori ausschliessen.

Link:

Stephen Hawking - Eine kurze Geschichte der Zeit